Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften

Physik mit Top-Quarks und W-Bosonen

Mit dem ATLAS-Detektor werden pro Jahr ca. 1 Milliarde Kollisionsereignisse aufgezeichnet. Aus dieser Menge an Kollisionen wollen wir diejenigen herausfiltern, die uns helfen, Eigenschaften schon bekannter Elementarteilchen genauer zu vermessen, oder Ereignisse zu finden, in denen bisher unbekannte Teilchen erzeugt wurden. In Wuppertal verfolgen wir vier Schwerpunktthemen, die miteinander vernetzt sind:

Präzise Messung der Produktion einzelner Top-Quarks

Neben der Top-Quark-Antiquark-Paar-Produktion stellt am LHC auch die Produktion einzelner Top-Quarks über die schwache Wechselwirkung eine wichtige Quelle von Top-Quarks dar. Dabei spielen die folgenden drei Subprozesse eine Rolle: t-Kanal-Austausch, assozierte Wt-Produktion und s-Kanal-Austausch.

Warum sind einzelne Top-Quarks interessant? Der Nachweis der Einzel-Top-Quark-Prozesse ist von großem Interesse, weil deren Wirkungsquerschnitt proportional zum Betragsquadrat des Elements Vtb der Cabbibo-Kobayashi-Maskawa-Quarkmischungs-Matrix (CKM-Matrix) ist und die beste Möglichkeit bietet, |Vtb| experimentell modellunabhängig zu bestimmen. Die CKM-Matrix überführt die Masseneigenzustände der Down-Typ-Quarks (d, s, b) in die Eigenzustände der schwachen Wechselwirkung und gibt effektiv die Kopplungsstärke von Quark-Antiquark-Paaren verschiedenen Flavors an das W-Boson an. Eine genaue Kenntnis der CKM-Matrix ist essentiell, um die Prozesse zu verstehen, bei denen Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie auftreten (CP-Verletzung).

Im Standardmodell wird |Vtb| ≈ 1 vorhergesagt, eine signifikante Abweichung nach unten könnte auf eine vierte Generation von Quarks hinweisen. Eine größere Rate von einzeln produzierten Top-Quarks könnte auf zusätzliche Produktionsmechanismen jenseits des Standardmodells hindeuten, z.B. auf flavour-ändernde neutrale Ströme oder neue schwere Eichbosonen (W').

Laufende Analyseprojekte mit Top-Quarks und W-Bosonen

Einzelne Top-Quarks am LHC

Im Jahr 2011 gelang unserer Wuppertaler Arbeitsgruppe auch die Beobachtung der Einzel-Top-Quark-Produktion mit dem ATLAS-Detektor am LHC. Unsere Ergebnisse wurden auf der PLHC Konferenz (ATLAS-CONF-2011-088) und der EPS-HEP Konferenz (ATLAS-CONF-2011-101) vorgestellt und schließlich im Jahr 2012 veröffentlicht (Phys. Lett. B 717, 330-350 (2012)). Diese erste Beobachtung des Einzel-Top-Quark-Prozesses am LHC stößt die Tür zu einem neuen Forschungsgebiet auf, denn nun steht eine große Anzahl an Einzel-Top-Quark-Ereignissen zur Verfügung, die es erlaubt, die Eigenschaften der in diesem Prozesse erzeugten Top-Quarks genauer zu untersuchen.

Zurzeit untersuchen wir, ob die Messung der Wirkungsquerschnitte einzeln produzierter Top-Quarks bzw. Top-Antiquarks dazu beitragen kann, die Partondichtefunktionen des Protons genauer zu bestimmen (ATLAS-CONF-2012-056).

Beteiligte Wissenschaftler

Dr. Dominic Hirschbühl
M.Sc. Joshua Reidelstürz
M.Sc. Maren Stratmann
Prof. Dr. Wolfgang Wagner

Weitere Informationen zu einzelnen Top-Quarks

Beteiligte Wissenschaftler*Innen

Priv.-Doz. Dr. Frank Ellinghaus
M.Sc. Johanna Wanda Kraus

Der wichtigste Prozess zur Produktion von Top-Quarks in Hadronkollisionen ist die Erzeugung von Top-Antitop-Quark-Paaren. In Störungstheorie auf Born-Niveau tragen dazu zwei Subprozesse bei, die Quark-Antiquark-Annihilation und die Gluon-Gluon-Fusion, deren Feynman-Diagramme hier abgebildet sind:

Quark-Antiquark-Annihilation

Gluon-Gluon-Fusion

Messung der Ton-Quark-Masse mit Daten des CMS Experiments

Die Masse des Top Quarks ist eins der wichtigsten Parameter des Standardmodells der Elementarteilchenphysik. Im Standardmodell, ist die Quark Masse ein Parameter der Lagrangedichte und ist eindeutig nur über eine Renormierungsschema definiert.  Der Wert und die Präzision der Top Quark Masse spielen zentrale Rolle in Vorhersagen der elektroschwachen Symmetriebrechung im Standardmodell, infolge derer die Elementarteilchen ihre Masse erhalten und das Universum so gebildet ist, wie wir es kennen. Das Ziel unserer Arbeit ist es, die Genauigkeit der Messung von der Top Quark Masse zu verbessern. Dafür untersuchen wir neue Observablen und Prozesse, welche stärkere Sensitivität auf die Top Quark Masse haben. Weiterhin entwickeln wir neuartige Methoden welche auf maschinellen Lernen basieren, welche die Rekonstruktion des Top Quarks im Experiment verbessern und die systematische Unsicherheiten reduzieren. In diesem Feld arbeiten wir sehr eng mit führenden Theoriegruppen in Hamburg, Aachen, Valencia, Wien, Zurich und Kennesaw State University zusammen. Unsere CMS Gruppe ist in diesem Thema federführend. Ferner, untersuchen wir die fundamentale Eigenschaft der Quantenchromodynamik (QCD), das “Laufen” der Top Quark Masse, bestimmen die starke Kopplungskonstante und Struktur des Protons oder suchen nach Neuer Physik, in dem wir Ereignisse mit Top Quarks nutzen.

Beteiligte Wissenschaftlerinnen:
Katerina Lipka
Simone Amoroso
Roman Kogler
Valentina Guglielmi
Sebastian Wuchterl
Ana Ventura Barroso

Messung der Produktion von Jets

Quarks und Gluons (zusammen Partonen genannt) können nicht als freie Teilchen beobachtet werden, die starke Kraft hält sie zusammen. Wenn in Folge einer Kollision bei hohen Energien, ein Parton “sein” Hadron verlässt, bilden sich aus diesem und den Quarks im Vakuum weitere stabile Hadronen. Dieses Prozess heisst Hadronisierung und das resultierende Bündel der Hadronen werden Jets genannt. Die Ausnahme ist der Top Quark, wessen Masse zu hoch ist, zu hadronisieren - stattdessen zerfällt dieser in ein W boson und ein b Quark (welcher wiederum ein Jet bildet). Jets behalten die Art, Energie und Richtung der ursprünglichen Partonen und spielen zentrale Rolle in Präzisionstests des Standardmodells, insbesondere der QCD. In Proton Kollisionen am LHC, werden Jets am häufigsten erzeugt. Unsere Gruppe leitet Messungen der Wirkungsquerschnitte der Jet-Produktion am CMS Experiment und nutzt diese um die Impulsverteilungen der Quarks und Gluons im Proton zu bestimmen, zusammen mit der starken Kopplungskonstante. Allerdings sind Jets mit sehr hohen Energien auch exzellent geeignet, um nach Neuen Physik zu suchen. Wir entwickeln eine neue neue Methode, die LHC Daten zu Jet und Top Quark Produktion zu nutzen, um die fundamentalen Kopplungen des Standardmodells und die Kopplungen der Neuen Physik gleichzeitig zu bestimmen. Dabei arbeiten wir zusammen mit den Theoretikern in Jiao-Tong Universität in Schanghai.

Beteiligte Wissenschaftlerinnen:
Katerina Lipka
Toni Makela
Simone Amoroso
Valentina Guglielmi

Globale QCD und Elektroschwache Interpretation der Collider Daten

Ausser Messungen der Wirkungsquerschnitten, beschäftigt sich unsere Gruppe weitgehend mit der Interpretation mehrerer Prozesse am LHC und an anderen Collider zusammen. Dabei werden QCD oder Elektroschwacher Sektor des Standardmodells getestet. Das Ziel ist eine globale Interpretation aller gemessener Prozesse. Wir sind an der Entwicklung von QCD Analyseplatforms xFitter und Elektroschwachen Fit Programs gFitter beteiligt und leiten entsprechende Untersuchungen durch, mit vorhandenen Daten oder Simulationen, um die zukünftige Messungen auf deren Impact auf Präzision der QCD oder elektroschwachen Parameter einzuschätzen.  Wir sind weiterhin an Kombinationen der Messungen der W boson Masse an verschiedenen Experimenten beteiligt. In diesen Projekten arbeiten wir zusammen mit vielen leitenden Theoriegruppen, z.B. INFN in Italy.

Beteiligte Wissenschaftlerinnen:
Katerina Lipka
Simone Amoroso
Toni Makela
Federico Vazzoler
Roman Kogler
Valentina Guglielmi

zuletzt bearbeitet am: 20.10.2022

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